Alle Artikel in: Monografie

Parmenides

Kurzer Traktat über die Ursprungserfahrung der Philosophie.
1999 Edition Dialogos Hannover.

Gerhard Stamers Traktat führt das Denken zu dem Einheitspunkt zurück, wo Mystik und Empirie, Ontologie und Aufklärung, Lebendigkeit und Abstraktion ihre gemeinsame Wurzel haben. In einer eigenen ursprünglichen Weise stellt sich ein Philosophieren in den Ursprung der Philosophie hinein.Das Verhältnis von Denken und Sein, die Wahrheit, tritt als die unergründliche Existenzbedingung der menschlichen Gattung hervor.
Die Fragmente, die von Parmenides überliefert sind, stammen aus dem fünften bis sechsten Jahrhundert vor Christus. Obwohl seine Ausdrucksweise von einer außerordentlichen Prägnanz ist, haben seine Gedanken nicht nur zu den konträrsten Interpretationen Anlass gegeben, sondern sogar geistig-kulturelle Strömungen begründet, die über diesen ganze historischen Zeitraum miteinander in Fehde lagen: die mystisch- religiöse Einheitsschau auf der einen Seite und die sich auf die cEmpirie stützende wissenschaftliche Objektivität auf der anderen. Auch im 19. Jahrhundert schieden sich an Parmenides die Geister. So wurde ihm von Hegel höchste Würdigung zuteil, während Nitzsche mit schroffster Ablehnung von ihm spricht. Für Hegel ist Parmenides der Denker des Anfangs, des einen Seins, der zum ersten Male „mit der reinen _Begeisterung des Denkens“ dieses selbst „in seiner Absolutheit“ erfasste und „das Element der Wissenschaft“ erschuf. Nietzsche – in seiner lebensphilosophischen Sicht – hingegen sieht sich von Parmenides in das „kalte Bad seiner furchtbaren Abstraktionen“ gestürzt. Er kann sich mit dessen „durch jede Wirklichkeit ungetrübten und völlig blutlosen Abstraktionen“ nicht anfreunden. Es sieht in ihm den Prototypen einer das Leben tötenden Rationalität.
(Originaler Text aus dem Jahr der Veröffentlichung.)

Greifen nach Sternen und Steinen

Zum Lernprozess und zur Selbstreflexion der Neuen Sozialen Bewegungen (1968-1988).
1989 Materialis Verlag, Frankfurt am Main, ISBN 3-88535-I30-7.

Das Jahr 1968 ist zum Symbol geworden für den Aufbruch einer weltweiten, linken Opposition. Generationen von Jugendlichen haben sich diesem seither – mit verschiedenen konkreten Zielsetzungen und unterschiedlichen kulturellen Stilen – angeschlossen. Dennoch hat sich kein grundlegender Wandel in en Verhältnissen vollzogen. Demgegenüber ist zwar ist zwar der Wandel in den Beziehungen und in den Subjektverfassungen unbestreitbar, er reicht aber offenbar noch nicht aus, um eine weitergehende Wandlung zu induzieren.
Angesichts des in unseren Tagen verbreiteten Katastrophismus kommt es darauf an, neue Problematisierungen und Praktiken zu entwickeln, die die Träume von einem Reich der Freiheit neu aktualisieren. Es geht darum,mit überraschenden Neuorientierungen und Aktionen, die linke Opposition zu beleben.
Dieses Buch sucht den Zusammenhang, die Entwicklung und den Lernprozess der neuen sozialen Bewegungen und des politischen Widerstands in der Bundesrepublik von 1968 bis heute darzustellen.
Es will damit Beiträge für die Erarbeitung eines Selbstbewusstseins der neuen sozialen Bewegungen erbringen. Unter den Leitfragen: Wo kommen wir her? Wo stehen wir? Wohin wollen wir? werden folgende Themen diskutiert:

  • Individuelle und gesellschaftliche Emanzipation
  • Politische Opposition zwischen innen und außenpolitischer Orientierung
  • Systemveränderung und Reformpolitik
  • Neue soziale Bewegungen und Arbeiterbewegung
  • Frauenbewegung – Vom Weiberrat zum Frauenbeauftragten
  • Erwachsenenbildung zwischen politischer Bildung und Qualifizierungsoffensive
  • Selbstorganisation contra Haushaltskürzungen.

Die Kunst des Unmöglichen oder die Politik der Befreiung

Über Eduard Bernsteins halbherzigen Versuch, Marx mit Kant zu korrigieren.
Gerhard Stamer, 1989 Materialis Verlag, Frankfurt am Main.

Diese Arbeit entspringt dem Interesse an der Bewältigung eigener politischer Erfahrung. Der Autor, der 68er Generation zugehörig, untersucht an einem historischen Zusammenhang systematische Probleme, die sich auch in der gegenwärtigen Praxis unumgänglich stellen. Die ‚Strukturen vorherrschender Politikformen, wie sie in den Konzeptionen von Reform und Revolution zum Ausdruck kommen, werden einer erkenntnistheoretischen Analyse unterzogen. Die Thematisierung von Bernsteins Revisionismus zu diesem Zweck liegt deshalb nahe, weil seine Bedeutung vor allem darin beruht, die Erkenntnistheorie Kants auf die an der Theorie von Marx und Engels orientierte Politik der deutschen Sozialdemokratie vor dem 1. Weltkrieg bezogen zu haben. Die offizielle Verurteilung,, die der Revisionismus in der Arbeiterbewegung erfuhr, bedeutete die Negation der erkenntnistheoretischen Fragestellung für die sozialistische Politik. Ohne die Anwendung der Erkenntnistheorie auf Theorie und Praxis, Analyse und Strategie, ist es jedoch nicht möglich, emanzipatorische Politik als Lernprozess zu organisieren. Wo dies aber nicht geschieht, ist sie zum Scheitern verurteilt.

In der hier vorliegenden Untersuchung führt der Autor den Nachweis, dass der Reformismus, wie ihn _Bernstein begründete, als auch sein Kontrahent, der Dogmatismus, Erscheinungsformen der Lernunfähigkeit emanzipatorischen Bewusstseins sind. Eduard Bernstein konnte die gestellte Aufgabe nicht lösen, denn er hatte einen eingeschränkten Erkenntnisbegriff. Er zog für die sozialistischen Politik nur die Konsequenz aus Kants „Kritik der reinen Vernunft“, nicht aber aus dessen „Kritik der praktischen Vernunft“. Im Rückgang aber auf Motive dieser Schrift – insbesondere dem Freiheitsbegriff – liegen die Ansätze, um über die Denkblockaden von Reformismus und Dogmatismus hinauszukommen.